Die nachhaltige Geldanlage liegt im Trend. Jahr für Jahr erfreuen sich als nachhaltig gekennzeichnete Vermögensanlagen immer grösserer Beliebtheit. Auch in der Schweiz hat der Markt für nachhaltige Anlagen im vergangenen Jahr erneut ein zweistelliges Wachstum verzeichnet. Auf Basis von Marktumfragen liegt das Volumen nachhaltiger Geldanlagen inzwischen bei 1.520 Milliarden CHF. Mit einem Wachstum von fast 50 Prozent wiesen nachhaltige Anlagefonds 2020 die höchste Steigerungsrate auf.
Doch was heisst „nachhaltig“ eigentlich in Bezug auf die Geldanlage? Als Standard für nachhaltige Geldanlagen hat sich in den letzten Jahren die Begrifflichkeit „ESG“ etabliert. Hinter dem Begriff verbergen sich drei Verantwortungsbereiche von Unternehmen, bei denen ein besonders enger Zusammenhang mit Nachhaltigkeit besteht. Der nachfolgende Beitrag erklärt, welche Kriterien in Bezug auf die Nachhaltigkeit eines Unternehmens eine Rolle spielen, wer diese Kriterien beurteilt und ob man mit nachhaltigen Geldanlagen gute Renditen erwirtschaften kann.
Was bedeutet ESG?
Die Abkürzung „ESG“ setzt sich aus den drei Anfangsbuchstaben der nachhaltigkeitsbezogenen Verantwortungsbereiche von Unternehmen zusammen: „E“ steht für „Environment“ (Umwelt), „S“ steht für „Social“ (Soziales) und „G“ steht für „Governance“ (Unternehmensführung).
Über den Bereich Environment werden alle umwelt- und klimarelevanten Aspekte eines Unternehmens abgebildet. Dazu zählen beispielsweise:
– Ein effizienter Umgang mit Wasser, Energie, Rohstoffen und sonstigen Produktionsfaktoren,
– die Etablierung umweltverträglicher Produktionsprozesse,
– die Herstellung umweltfreundlicher Produkte,
– das Volumen der Emissionen in Luft und Wasser,
– der Anteil erneuerbarer Energien und
– die Einrichtung einer Umwelt- und Klimastrategie.
In den Bereich Social fallen alle Faktoren rund um das soziale und gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens. Dazu gehören unter anderem:
– Die Beachtung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Mitarbeiter,
– die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten,
– das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit,
– die Achtung von Chancengleichheit und Diversität,
– eine angemessene Entlohnung der Mitarbeiter,
– das Angebot von Weiterbildungsmöglichkeiten,
– die Freiheit von Gewerkschaften und Versammlungen und
– die Beachtung von Nachhaltigkeitsstandards bei Zulieferern.
Und über den Bereich Governance werden alle Aspekte in Bezug auf eine nachhaltige Unternehmensführung abgebildet. Darunter fallen zum Beispiel:
– Die Verhinderung von Bestechung und Korruption,
– die Einhaltung von Steuerehrlichkeit,
– die Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken,
– die Verankerung einer Nachhaltigkeitskultur auf allen Unternehmensebenen,
– die Verknüpfung der Management-Vergütung mit dem Erreichen von Nachhaltigkeitszielen und
– der Umgang mit Whistleblowing.
Wer beurteilt die ESG-Kriterien?
Den wenigsten Anleger ist es recht, dass ihr Geld im Zuge der Vermögensverwaltung in Unternehmen investiert ist, die ihre Gewinne mit Pornographie und Tabak machen. Doch wie sieht es mit „grenzwertigen“ Unternehmen beispielsweise in den Bereichen Waffenherstellung und Glückspiel aus?
Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie man ein nachhaltiges Unternehmen erkennt, das einen Grossteil der oben genannten ESG-Kriterien weitgehend einhält. Nach wie vor tun sich viele Anleger schwer damit, die Nachhaltigkeit von Branchen und einzelnen Unternehmen zu beurteilen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, existieren heutzutage doch zahlreiche Informationskanäle, um sich über die unternehmerische Nachhaltigkeit zu informieren.
In den letzten Jahren haben sich die Nachhaltigkeitsberichte (Lageberichte) zu einem der wichtigsten Kanäle in Bezug auf die Nachhaltigkeit eines Unternehmens entwickelt. Seit 2017 besteht für europäische kapitalmarktorientierte Unternehmen eine Berichtspflicht, gemäss derer Unternehmen jährlich über die wesentlichen Belange aus dem Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung informieren müssen. Hinsichtlich der Qualität und der Vergleichbarkeit der Berichte haben sich die beiden Standards Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK) und Global Reporting Initiative (GRI) etabliert.
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex unterstützt Unternehmen beim Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie und bietet ihnen einen relativ einfachen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Um den DNK erfüllen zu können, erstellen Unternehmen in der DNK-Datenbank eine Erklärung zu zwanzig verschiedenen Kriterien.
International bekannter ist die Global Reporting Initiative. Bei der GRI handelt es sich ebenfalls um einen Anbieter von Richtlinien für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen unterschiedlicher Grösse sowie auch Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Die GRI-Richtlinien bestehen aktuell aus 36 Standardmodulen mit insgesamt über 120 Indikatoren rund um das Unternehmen und dessen Leistungen in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Neben den beiden Standards DNK und GRI existieren inzwischen zahlreiche Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, wie zum Beispiel Ecovadis, Imug Rating, Inrate, ISS Oekom, Robecosam und Sustainalytics. Auch klassische Finanzinformationsdienste wie Bloomberg, MSCI und Thomson Reuters bieten heutzutage Dienstleistungen rund um die Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen an.
Wie haben Anleger den Durchblick?
Angesichts der dargestellten Vielzahl an Anbietern zur Beurteilung der ESG-Kriterien und deren unterschiedliche Vorgehensweise fällt es den meisten Anleger im Hinblick auf ihre Vermögensverwaltung schwer, den Durchblick in Sachen Nachhaltigkeit zu bewahren. Der Masse der Anleger fehlt zudem schlichtweg die Zeit, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen und auf Basis eigener Nachforschungen ihre Vermögensverwaltung möglichst nachhaltig zu gestalten.
Welche Alternativen bleiben Anlegern dann, um ihre Vermögensverwaltung so nachhaltig wie möglich zu gestalten? Eine Möglichkeit zum schnelleren Vergleich der Nachhaltigkeit von Unternehmen sind sogenannte ESG-Ratings oder ESG-Scores. Sie werden inzwischen von zahlreichen Nachhaltigkeits-Ratingagenturen angeboten und bringen mit einem einzigen Wert die Nachhaltigkeit eines Unternehmens auf den Punkt. Doch auch hier stehen Anleger vor der Herausforderung, dass es keine einheitliche Vorgehensweise bei der Berechnung von ESG-Scores gibt. Jede Ratingagentur hat ihr eigenes System, was die Vergleichbarkeit der Ratings zwischen verschiedenen Anbietern erheblich erschwert.
Eine Alternative dazu stellt die bewusste Auswahl sogenannter „ESG-Fonds“ dar. ESG-Fonds sind Investmentfonds, die bei der Anlage ihrer Gelder die Einhaltung der ESG-Kriterien beachten. Aber auch bei diesem Investmentansatz stellt sich die Problematik der Nichtvergleichbarkeit der Anbieter. Fast jede Bank und jeder Vermögensverwalter haben einen individuellen Ansatz in Bezug auf die Auswahl von ESG-Anlagen. Der jüngste Skandal rund um die Fondsgesellschaft DWS hat gezeigt, dass die Einhaltung von Standards zum Teil sehr lax gehandhabt wird und sich viele als nachhaltig empfohlene Fonds nicht als solche erwiesen haben.
Ist die nachhaltige Vermögensverwaltung überhaupt rentabel?
Zum Abschluss soll noch kurz auf diese zentrale Frage eingegangen werden. Viele Anleger gehen fälschlicherweise immer noch davon aus, dass sie bei der Beachtung einer nachhaltigen Vermögensverwaltung auf Rendite verzichten müssen. Doch dass Nachhaltigkeit und Rendite kein Widerspruch sein müssen, wurde inzwischen empirisch belegt. Die überwiegende Mehrheit von über 2.000 Studien zur Rendite von ESG-Investments kam zum Schluss, dass ESG-Portfolios keine schlechtere Rendite erwirtschaften als herkömmliche Produkte.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: So blicken nachhaltig ausgerichtete Unternehmen oftmals weiter in die Zukunft als ihre Wettbewerber. Sie machen sich frühzeitig Gedanken über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit in der Zukunft, was oftmals dazu beiträgt, dass sie Chancen und Risiken ihres Business früher erkennen und entsprechend darauf reagieren können. Zudem profitieren nachhaltig agierende Unternehmen von einem positiven Image. In Zeiten einer zunehmend umweltbewussten Öffentlichkeit, die nicht nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen kritisch bis ablehnend gegenübersteht, ist die Einhaltung von ESG-Kriterien nicht mehr nur ein reiner Selbstzweck, sondern ein wirtschaftlicher Pluspunkt.